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Geschichten: James Blackforest

James Blackforest: Das Interview! 26. Das Interview!

James liegt zu Hause im Atelier auf dem Sofa und denkt über seine neue Kunstrichtung nach. Irgendetwas hat ihn kürzlich so richtig geärgert. Wie gerne spielt er an Bankautomaten. Stets ist er dort der Gewinner. Er schiebt die Bankkarte in den Schlitz. Es kommt die Aufforderung "Pin" eingeben. James gibt brav die Pin ein. Nun folgt die Aufforderung, den Auszahlungsbetrag anzugeben. James gibt den Betrag ein. Der Bankautomat spuckt die Bankkarte wieder raus und nach einem rattern kommt das Geld.

Am letzten Samstag war das anders. Der Bankautomat behielt die Karte und ratterte auch nicht. "So ein Mist", dachte er. "Dann gehe ich halt nicht einkaufen!"Claudia sah es an seinem roten Kopf, dass da etwas nicht stimmte.
"Die Karte" hat es mir eingezogen!", schimpfe James und gab dem Eimer, der gerade unmittelbar in seiner Nähe stand, einen Tritt, so dass der meilenweit in den Gemüsegarten flog.
Claudia hätte da am liebsten etwas gesagt, aber sie blieb still. Denn sie wusste, James würde sich noch mehr aufregen. Stattdessen umarmte sie ihn: "In der Schatulle in deinem Schreibtisch, da ist ja noch Geld. Nimm das solange! Komm, wir fahren nach Haslach zu deinem Lieblingsmarkt und kaufen dort ein, was wir an Lebensmittel brauchen."
"Und im Stadtcafé lassen wir uns dann nieder und schauen den Marktleuten zu!" James war wieder begeistert.

Im Stadtcafé wurde gerade ein Tisch frei. Während die Bedienung den Tisch leer räumte, ließen sich Claudia und James auf den Stühlen nieder. Zweimal Stadtfrühstück mit Milchkaffee bestellt man im voraus. Gerade jetzt wo die Bedienung da ist. Wer weiß, wann die wieder kommt. Denn hier in der Hauptstrasse ist was los. Man kam sich vor wie in einer Ameisen-Strasse. Vor dem Gehsteig drapierten sich einzelne Stände. Da gab es Speck und Geräuchertes, Schnaps und Marmelade aus Ortenberg und jede Menge Stände mit Obst und Gemüse. Die Leute hatten es eilig! Mit einem geflochtenen Korb am Oberarm ging es von Stand zu Stand. Die eine im modernen Freizeitlook, die andere mit Dutt und Schwarzwälder Tracht.

"Ist da noch ein Plätzle frei?", fragt eine sehr schlanke Person mit gelben Nylon-Strümpfen und Rosé-Minirock. Die Augenlieder waren hellblau eingefärbt, den Oberkörper bedeckte eine lilafarbene Bluse. Im Arm trug sie eine weiße Stofftasche. Ihre Haare waren schwarz gefärbt mit rötlichen Strähnen. Ihr Alter könnte kurz vor Fünfzig sein, ihr Outfit war das einer ausgeflippten Zwanzigjährigen. Sie bestellte sich ebenfalls einen Milchkaffee mit einem Glas Wasser. Man kam ins Gespräch.

"Bist Du nicht der Maler James?" warf sie auf einmal ein.
"Ja, ich bin James Blackforest!"
"...das trifft sich ja gut! Denn ich bin vom "Kinzigtäler Kulturblatt" und brauche unbedingt ein Interview eines Künstlers. Darf ich Dir ein paar Fragen stellen?"
"Ja, warum nicht."
"Also ich bin die "Joe" sagte sie und drückte James eine Visiten-Karte in die Hand, Joe Luchner, Redakteurin vom Kinzigtäler Kulturblatt.
"Also James, wie kommst Du zum Malen?"
"Wie die Mutter zum Kind", antwortet James brav. Dabei fallen die Blicke auf Claudias Bauch.
"Du bekommst ja ein Kind!", so Joe und mustert ganz interessiert Claudias Bauch, als wenn der durchsichtig wäre.
"Ja, im Oktober dürfte es kommen! Also, der Weißwurstmaler Wolfgang End hat mich zum Malen gebracht. Bei einem Besuch in seinem Atelier drückte er mir einmal den Pinsel in die Hand, seitdem male ich."
"Was hast Du vorher gemacht?"
"Zunächst machte ich eine Lehre. Obwohl ich etwas Künstlerisches machen wollte, blieb mir nichts anderes übrig. Zu Hause auf dem Hof war ich eher der Knecht, denn mein Bruder sollte den Hof erben. Da ich aber nicht immer umsonst auf dem elterlichen Hof helfen wollte, zog es mich bald nach München. Zunächst hatte ich einen Job als Zeitungsausträger und später war ich jahrelang Aufsicht

Die vier Apostel
Die vier Apostel
in der "Alten Pinakothek vor dem Bild "Die vier Apostel" von Albrecht Dürer. Dann traf ich den End!"
"Stimmt es, dass Deine Bilder von Sammlern auf der ganzen Welt gekauft werden?"
"Nee, nicht ganz. Es ist eher Schwarzwald und Umgebung. Aber es kommt vor, wie kürzlich, dass sich ein Chinese in mein Atelier in Käfersberg einfindet. Auf diese Art und Weise gibt es ein Bild von mir in Peking!"
"Würdest Du in der Berggalerie in Zunsweier ausstellen, wie der Lehrer Eule?"
"Nee, denn ich bin ja kein Lehrer und Hobbymaler!"
"Ist die Berggalerie eine Hobbygalerie für Dich?"
"Der Galerist war ja die ganze Zeit Lehrer in Ortenberg und danach in Zunsweier und hat nichts anderes in seinem Leben gemacht. Da auf einmal hat der eine Galerie und lässt seine Lehrerkollegen ausstellen. Der End erzählte mir mal, dass er noch keinen einzigen Lehrer getroffen hätte, der malen konnte. Und genau diesen Eindruck habe ich auch."
"Was stinkt Dir an diesen Hobbymalern?"
"Weil diese glauben, sie wären die größten Profis. Sie arbeiten mit Ellenbogen und klammern damit die Guten aus. Sie stellen ein Bild aus, sagen, da wäre ihr Herzblut drin, diese Linie entstand gerade als sie Magenschmerzen hatten und eine Lebenskrise sie zeichnete, dieses Grün kam aus dem Bauch heraus und wenn sie gerade keine Blutung gehabt hätten, wäre dieses wundervolle Rot nicht vorhanden. Aus dem Grund würden sie es auch nicht verkaufen wollen. Es ist für sie eine Aufarbeitung von Leid und Leben. Wenn man dann etwas sagt, sind sie beleidigt."
"Aber, was zeichnet denn einen Profi aus?"
"Schau Dir doch mal den "End" an. Der wollte nie Lehrer werden. Der hat nie aus dem Bauch heraus gemalt und hat durch leidvolle Stunden sein Bild gestalten lassen. Vielmehr war die Kommunikation immer ein Motivationspunkt. Seine Bilder kommunizieren. Finde etwas, was eine emotionale Wirkung erzeugt. Darauf setze deine Botschaft oder Mitteilung. Genau das hat der End getan. Er fand seinen Malstil. Es ist sein eigener. Es ist kein Rouault, kein Matisse und kein Pissarro. Jedes Bild ist ein End! Ein Unikat und unwiederholbar ein End. Er erlebte auch keinen Orgasmus oder seelische Qualen, als er dieses oder jenes Bild malte. Es ist eben ein ’End’"
"James, warum bist Du denn so aufgebracht?"
"Bin ich aufgebracht? Ich wundere mich nur über Menschen, die jahrelang arbeitslos sind, oder das Pensionsalter erreicht haben und plötzlich zu malen beginnen. Sie machen einen Volkshochschulkurs oder besuchen die Offenburger Kunstakademie und glauben hinterher, sie könnten malen. In Wirklichkeit äffen sie bekannte Künstler nach, indem sie Kataloge durchschauen und das eine oder das andere Bild nachmalen und hinterher behaupten, es wäre ihr Werk und diese Linie wäre ihrem Bauch entsprungen, während sie über die Kränkung ihres Ehepartners nachdachten. Manche Ehefrau trennt sich von Mann und Familie und glaubt, sie hätte sich befreit, indem sie malt. Sie hätte sich wieder entdeckt und sei zu ihrem eigentlichen Leben zurückgekehrt. Genau diese Modewelle stinkt mir!"
"Du wärst ohne Robert Ryman und Robert Lax auch kein "James Blackforest!"
"Stimmt, aber ich äffe die ja auch nicht nach. Ich habe nur dort weiter gemacht, wo die beiden aufgehört haben. Ich bin auch nicht Robert Ryman oder Robert Lax und hänge an deren Rockzipfel herum. Es ist meine eigene Kommunikation und es sind auch meine eigenen Mitteilungen, die durch meine Bilder beim Betrachter ankommen. Der Betrachter sieht "Blackforest" vor seinem Auge und kommt nicht auf die Idee, dass dies ein "Ryman" sein könnte. Der "End" hat auch von "Ellsworth Kelly"gelernt, aber man würde niemals einen "Kelly" bei ihm entdecken."
"Prof. Hubertus Häberle hat Dich doch kürzlich besucht. Was wollte der von Dir?"
"Hubertus wollte seine "Sammlung" aufstocken!"
"Hat er etwas gekauft?"
"Ja, zwei quardratgroße Bilder! Diese waren mit Bleistift auf die Wand skizziert. Ein Ortenberger Maurer musste den Putz sorgfaltig, ohne das er zerbrösselt von der Mauer lösen und neu verputzen. Der so gelösten Putz mit der Skizze wurde in Styropor verpackt und durch eine Spedition nach Tübingen transportiert."
"Was war auf dem Bild drauf?"
"Das Bild war mit Bleistift begrenzt, quasi auf dem Putz mit dem Bleistift der Rahmen angedeutet. Das Bild innerhalb des Rahmens darf Hubertus sich selbst vorstellen. Der Titel vom einen, es ist kein Diptichon, ist "Oben Ohne" und vom anderen "Unten Ohne". Claudia stand "Modell".
"Wie weiß der Professor, dass dies ein Akt von Claudia ist? Er hat ja Claudia noch nie nackt gesehen!"
"Richtig! Aber genau das ist die Kunst. Er hat Claudia nie nackt gesehen, aber er kann sich Claudia so vorstellen wie er will! Und genau das ist Kunst!"
"Was macht eigentlich Prof. Hubertus Häberle im Augenblick?"
"Hubertus arbeitet gerade am zweiten Rautenfischbuch "Weitere Erkenntnisse über den Rautenfisch". Der Text ist längst fertig, aber er wartet immer noch auf die Zeichnungen vom End."
"Der "End"ist doch eine lahme "Ente"!"
"Er braucht halt manchmal jemand, der ihm in den Arsch tritt."
"Was sind Deine neuen Pläne?"
"Zunächst muss ich Herbsten (Weinlese), denn die Reben hängen voll und die Trauben sind fast überreif. Danach, ich denke so Ende Oktober, wird es in meinem Atelier wieder eine Vernissage geben, zur Ehre unseres Kindes. Die Presse wird dazu eingeladen!"
"Vielen Dank, Blacky!"

 

Fortsetzung folgt

20.09.2007

 


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