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Geschichten: James Blackforest

2. James Blackforest als Hausmeister und der Kampf gegen roten Schnecken

James B. ist auf seine alten Tagen in die Ortenau zurück gekehrt. Er wohnt jetzt in Käfersberg. Dies ist ein Ortsteil von Ortenberg und liegt inmitten der schönen Weinberge.

Sein Lebensunterhalt bestreitet er mit den verschiedensten Möglichkeiten, die Ortenau bietet. Zunächst besitzt er einen Gewerbeschein als Hausmeister. In Offenburg betreut er ein Gebäude der Firma Kuckucksuhren Vertriebsgesellschaft Mittelbaden im Industriegebiet und eine Wohnanlage in der Innenstadt. Zudem malt er Bilder. Er sagt, es ist nur ein Hobby, so in seiner Freizeit. Eigentlich möchte er seine Bilder nicht verkaufen, aber wenn so ein nettes “Fräulein” in anblinselt, sagt er: "Ausnahmsweise!", weil er nicht mehr anders kann. Heimlich, aber nur heimlich und so nebenbei, schreibt er an einem Buch. Er will nicht, daß die “Leute” über ihn reden. Dann verkauft er noch seine Weine, Roter Spätburgunder, Rose und Klingelberger, die er aus dem Weinberg erntet, den ihm ein Onkel vererbt hat.

Wir haben Ende August und einen verregneten Sommer. James B. sitzt beim Frühstück. Zum Kaffee gibt es gebratenen Speck und Spiegeleier, Butter, selbstgemachte Heidelbeermarmalade und Durbacher Holzofenbrot. Es klingelt das Telefon. James hebt ab: "Hallo Frau Blinzeltreu, was gibt' s ?" Frau Edith Blinzeltreu ist die Geschäftsführerin der Firma Kuckucksuhren Vertriebsgesellschaft Mittelbaden, wo eben James B. Hausmeister ist. James B. bekommt den Auftrag Blumen für den Vorgarten einzukaufen. Nach dem Frühstück fährt er zum Gartencenter und kauft dort, was ihm gefällt.

Die Firma Kuckucksuhren Vertriebsgesellschaft Mittelbaden hat ein Gebäude in der Heinrich-Hertz-Straße gemietet, mit einem großen Parksplatz und einem Vorgarten vor dem Haupteingang. Frau Blinzeltreu kommt gerade aus ihrem abgestellten Auto, als James B. auf den Parkplatz fährt. "Oh sind das schönen Blumen", so Frau Blinzeltreu. Einzeln trägt er sie rüber zum Haupteingang, während Frau Blinzeltreu die Blumen plaziert. Auch Frau Kuhweide vom Export, die gerade eine Zigarette vor dem Eingang raucht, ist sehr begeistert: "Du hast Geschmack, James".
James fegt noch den Eingangsbereich, leert den Standaschenbecher links neben dem Eingang und sammelt das herumliegende Papier auf dem Parkplatz ein. Dann kümmert er sich um den Mülltonnenraum, wo Kartons auf dem Boden liegen. Und jetzt ist Kaffeezeit. James B. geht zur Esspressomaschine, die in der Mitarbeiterküche steht. Frau Renate Bieser vom Verkauf Inland kocht sich gerade ein Süppchen, während James sich ein Milchkaffee macht. Gleich gegenüber vom Sekretariat ist der Aufenthaltsraum mit einer kleinen überdachten Terrasse. Er setzt sich an den Tisch und genießt den Kaffee. Frau Emma Luchner vom Export und die Frau Inge Sengnessel sitzen dort bereits. "James schau, die schönen Blumen sind zerfressen", so Frau Luchner. "Durch den Regen haben wir viele Schnecken Shnecken Link dieses Jahr. James, Du mußt auch für hier neue Blumen kaufen". "Morgen früh fang ich die Biester", denkt James, wechselt noch zwei Glühbirnen und macht sich auf den Heimweg. Er fährt zum Stadtbuckel, stellt dort beim ehemaligen Landratsamt sein Auto ab und geht zu dem Lokal beim Stadtbrunnen, um dort ein Eis zu essen.

Am nächsten Morgen, bereits um 6.00 Uhr gackert sein Wecker. Er hat ein "Huhn" als Wecker. Er schlägt ihm mit der Faust auf den Kopf, das Gackern hört auf und er dreht sich noch einmal um. Genau nach zehn Minuten gackert die Henne wieder. James greift das Huhn am Hals und wirft es gegen die Wand. Es ist still, aber genau nach zehn Minuten: die Henne gackert erneut. James steht auf, stellt den Wecker ab und zurück auf den Nachtkasten, und legt sich wieder in sein Bett. Nun schlägt er die Augen auf, schaut auf das Blumenbild an der gegenüberliegenden Wand, das er im Frühjahr gemalt hat, dann rüber auf das Huhn: "Oh mei, ohjeminjeee, es ist acht Uhr!" James steht auf, macht die Morgentoilette, geht ohne Frühstück zum Auto und fährt im Nieselregen zur Firma Kuckucksuhren Vertriebsgesellschaft Mittelbaden. Er stellt sein Auto auf dem Parkplatz ab und geht zum Haupteingang. Dort bleibt ihm das Herz stehen. Das kann und darf nicht sein. Diese Biester! Rote Nacktschnecken liegen genüßlich wie auf einem Sofa auf den neugekauften Pflanzen und fressen! James B. geht zurück zum Auto. In der Werkzeugkiste findet er ein neues Teppichmesser. "Auf geht`s beim Schicht' l", denkt er laut vor sich hin. Wer es nicht weiß, der "Schicht' l" ist ein traditionelles Familienunternehmen auf der "Wies' n" in München. Vor dem Eingang steht eine Tafel: Heute Hinrichtung! Dort wird auf einer hell erleuchtete Bühne eine lebende Person vor dem Publikum geköpft. (Siehe mehr dazu: www.schichtl.de Wolfgang End - externer Link).

Mit dem Messer hebt er die erste Schnecke vom Blatt, legt sie auf die Mauer und schneidet diese in zwei Teile. So macht er es auch mit der nächsten. Schließlich ist er bei der vierundzwanzigsten angelangt. Dabei beobachtete er, dass die eine Hälfte der Schnecke weiter kroch. Die Oberfläche der Mauer gleicht einem Schlachtfeld. Überall liegen durchtrennte Schneckenteile auf einer widerliche Schleimfläche. Die Geschäftsführerin der Kuckucksuhren Vertriebsgesellschaft Mittelbaden kam hinzu: "Oh, die schönen Blumen! James, aber das ist Tierquälerei. Lass' dir was anderes einfallen. Bring' diese Blumen nach hinten auf die Terrasse und kaufe neue!" James B. fährt ohne Verzögerung in das Gartencenter.

Beim "Brätschel-Beck" (Breeze-Bäcker), gleich links neben dem Eingang, bestellte er sich ein Kaffee ,Fleischkäse mit mittelscharfen Senf, und Wecke (für die Bayern: Leberkas mit scharfem Senf und Semmel). Er hat ja noch nicht gefrühstückt. "Hallo James, bisch du au do?" (bist Du auch da?). Der Wassermeister von Ortenberg kommt zur Tür herein. Dieser ist auch ein guter Winzer und hilft dem James mit Rat und Tat bei der Weinpflege. James hat keine Erfahrung mit Weinanbau, denn in Prinzbach wächst kein Wein, aber sie haben einen ganz guten “Moscht” (Most, in der Regel aus Apfel und/oder Birnen gewonnen): "Ich mach halt den Win (Wein) wie unser Moscht." "Aber du musch me' r Kalk nie schitte, wege d' Säure (Du mußt mehr Kalk hinein schütten, damit der Säuregehalt sinkt)", erwidert der Wassermeister aus Ortenberg. James erzählt ihm von der Schneckenplage. "Kauf 'Schneckenkorn', so der Wassermeister aus Ortenberg.

James kauft verschiedene Dahliensorten und auch Schneckenkorn, fährt zurück in die Heinrich-Hertz-Straße zur Kuckucksuhren Vertriebsgesellschaft Mittelbaden. Die alten zerfressenen Blumen setzt er in die Terrasse um. Die neuen verteilt er auf der Mauer vor dem Haupteingang und beseitigt auch die ekligen Schneckenreste. "Oh, sind das schöne Blumen", bemerkt die Rezeptionistin Frau Edeltraut Bleibdraußen und zündet sich eine Zigarette an. Frau Adelheid Hinterhub aus Reichenbach bei Gengenbach gesellt sich noch hin zu: "Wow, das sind schöne Blumen!" "Und diese schöne Farben!", Frau Inge Sengnessel aus dem Telefonmarketing, die sich ebenfalls eine Zigarette anzündet. "Jetzt fehlt nur noch “Bieseri” (Er meint Renate Bieser aus dem Verkauf Inland) und wir machen eine Party", findet James B. Sie unterhalten sich noch über Blumen, Schnecken und humane Tötungsmethoden.

James verteilt vor dem Haupteingang und auf der Terrasse das Schneckenkorn. Im Herren-WC befestigt er einen losen Handtuchhalter, wechselt eine Neonröhre im Hausflur und flucht, weil er den falschen Starter in der Hosentasche hat, aber der alte funktioniert Gottseidank noch. Auf dem Parkplatz sammelt er Papier und Unrat, darunter einen Damenslip, ein.

Nun setzt er sich in sein Auto und fährt zum Stadtbuckel, fährt aber nach rechts in die Gerberstraße und findet dort gleich auch einen Parkplatz. Zu Fuß geht er weiter durch die Spitalstraße, biegt links in die Steinstraße ein und weiter zum Wurststand auf der Insel in der Hauptstraße. Dort bestellt er sich eine weiße Currywurst mit Wecke (Semmel, für die Bayern). "Hallo James, bei mir tropft der Wasserhahn. Kommst Du heute noch zu uns?", fragt Frau Guntelhild Weber, die in der Wohnanlage in der Hildastraße im vierten Stock wohnt, nicht weit vom Kino, die auch von James betreut wird. "Wenn du mir einen Martini Cocktail schütteltst, komme ich gleich", so James. "Du Hund, den Teppichklopfer stelle ich bereit, aber einen Kaffee könnte ich schon machen. Im Backrohr ist auch ein frischer Apfelkuchen", entgegnete Guntelhild Weber. "So in einer Stunde?" "Ja, klar", freut sich James B. schon.

James B. geht, quer über den Rathausvorplatz die Hauptstraße hinunter, züruck in die Gerberstraße zu seinem Auto, wo jetzt am Scheibenwischer ein Knöllchen steckt. Er hat den Parkscheinautomat nicht beachtet, ebenso die Uniformierte von der Stadt, die in regelmäßigen Abstände ihre Runde macht. "Hallo Claudia, warst Du das?,"wundert sich James. Claudia Schreibspechteimer von der kommunale Parkraumüberwachung und James Blackforest kennen sich bereits von einer Weinprobe auf dem Weinfest in Zell-Weierbach. Dort war sie privat und James hat sich in sie verliebt. Es war, so glaube ich, der süße Gewürztraminer, den es beiden angetan hatte. Claudia hat eine schlimme Ehe hinter sich und ist alleinerziehende Mutter von einer süßen Tochter, die gerade vor dem Abitur steht. Sie war Sekretärin in einem Kaufhaus, war lange Zeit wegen der Tochter zu Hause. Sie lebt in Scheidung, hängt aber noch ein wenig an ihrem Mann. Den jetzigen Job hat sie nur, weil sie nichts anderes fand. Ihren Nachnamen, den sie von ihrem Mann hat, hätte sie auch gerne los. Eigentlich macht ihr der Job jetzt Spaß. Man ist immer an der frischen Luft und trifft Leute. "James, du Gauner, den zahlst jetzt", zwitscherte Claudia, umarmte ihn und gab zunächst auf die linke Backe und dann auf die rechte einen Kuß. James war so, als ob die Ameisen den Rücken runter krappelten. "Treffen wir uns am Wochenende, Claudia", schlägt James vor. "Ich weiß noch nicht, ruf mich bitte an", zögert Claudia, "ich muß weiter, James, bis bald!"

Verdattert setzte sich James in sein Auto, fuhr die Gerberstraße weiter, bog rechts in die Lange Straße ein, vor bis zur Ampel, dort rechts in die Grabenallee, weiter auf der linke Spur über die Eisenbahnbrücke in die Weingartenstraße, überquert die Friedrichstraße und biegt dann links in die Hildastraße ein. Sein Auto stellt er seitlich in die Wohnanlage ab, wo sonst niemand der Hausbewohner parkt. Guntelhild Weber schaut gerade aus dem Küchenfenster aus dem vierten Stock in den Hof: "Hallo James, komm einfach hoch, die Tür ist auf".

Wie es mit Guntelhild Weber weitergeht erfahren sie hier:
Das Schneckenballett


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08.09.2005

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